Workshop & Lesung Rotimi Babatunde
Workshop und Lesung mit Rotimi Babatunde im Haus der Universität
Welche Rolle haben nigerianische Soldaten in den Dschungelkämpfen des Zweiten Weltkriegs gespielt? Welche Rolle spielt die Sprache, die wir wählen, für unseren täglichen Umgang miteinander? Und inwiefern fließen Überlegungen aus der theoretischen Übersetzungsforschung in die alltägliche Berufspraxis von Übersetzerinnen und Übersetzern ein? Für all diese Fragen war am 27.10. beim Autorenworkshop mit anschließender Gläserner Übersetzung und öffentlicher Lesung Platz. Die drei Veranstaltungsteile im Haus der Universität widmeten sich in aller Ausführlichkeit der Kurzgeschichte "Bombay's Republic" des Caine-Prize-Gewinners Rotimi Babatunde.
Es war die zweite Veranstaltung der Reihe Über Übersetzen im Rahmen des Kooperationsprojektes „Übersetzen zwischen Theorie & Praxis“ der Master-Studiengänge Literaturübersetzen und Comparative Studies. Die Mitglieder des Projektseminars unter Leitung von Sonja Frenzel und Stephanie Kreiner laden Preisträger des Caine Prize for African Writing nach Düsseldorf ein, um über die prämierten Kurzgeschichten und ihre geplanten deutschen Übersetzungen zu sprechen. Denn am Ende des nun im zweiten Semester laufenden Projektes soll eine zweisprachige Anthologie mit 14 Kurzgeschichten aus der Feder verschiedener afrikanischer Autoren erscheinen – im englischen Original und der von Studierenden erstellten deutschen Übersetzung. Das Projekt findet in Kooperation mit dem Allerweltshaus Köln e.V. statt und wird vom Lehrförderungsfonds der HHU sowie der Kunststiftung NRW gefördert.
Die dieses Mal im Fokus stehende Kurzgeschichte „Bombay’s Republic“ des nigerianischen Autors Rotimi Babatunde wartet mit einem fachsprachlich-gehobenen Ton auf und behandelt den komplexen historisch-kulturellen Hintergrund um die „forgotten army“ – eine in Afrika rekrutierte Armee, deren Erlebnisse in südostasiatischen Gefechten des Zweiten Weltkrieges größtenteils ohne öffentliche Beachtung geblieben sind. Dazu präsentiert sie mit Bombay einen exzentrischen Protagonisten, der nach seiner Rückkehr aus eben jener vergessenen Armee beschließt, in seiner nigerianischen Heimat einen eigenen souveränen Staat zu gründen.
All diese Punkte boten reichlich Gesprächsstoff, um im ersten Teil des Tages den Workshop zwischen Babatunde und den Studierenden mit Lösungen für offene Fragen der Projektteilnehmer zu füllen - sowie mit Anregungen zu alternativen Interpretationen. Denn während Babatunde auf ruhige, durchdachte Art stets eine Antwort auf jede Frage zu seiner Geschichte zu bieten hatte, war er genauso an weiteren Deutungsmöglichkeiten der Studierenden interessiert. So bestätigte er die beiden studentischen Übersetzerinnen seiner Kurzgeschichte, Theresa Benkert und Louisa Kuck, auch in ihrer Entscheidung, dem Text die im Original vorhandenen diversen Eigen- und Fremdheiten zu lassen, statt ihn für die deutschen Leser zu „glätten“: I trust the readers to rise up.
Als Gast war diesmal auch der renommierte Übersetzer Thomas Brückner dabei, der Babatundes Autorensicht auf die Kurzgeschichte die Einsichten eines auf dem Gebiet der afrikanischen und vor allem nigerianischen Literatur erfahrenen Übersetzers hinzufügen konnte. Schon vor der Teilnahme am Workshop war Brückner bestens mit "Bombay's Republic" vertraut: Aus einer privaten Initiative heraus hat auch er schon an einer Übersetzung der Kurzgeschichte ins Deutsche gearbeitet.
Ab 17 Uhr wurde anschließend einem öffentlichen Publikum im Rahmen der Gläsernen Übersetzung die Praxis des Übersetzungsprozesses näher gebracht. Theresa Benkert und Louisa Kuck rekonstruierten ihre Arbeit an Bombay’s Republic noch einmal über Laptop und Beamer, während ihre Lektorin aus dem Studiengang Comparative Studies, Yvonne Kappel, ihrerseits Fragen zum Lektorierungsprozess beantwortete. Im Rahmen dieses Programmpunktes ergaben sich angeregte Diskussionen, etwa über Übersetzungstheorie und –praxis, kulturelle Übersetzung im Sinne der postkolonialen Forschung oder auch die scheinbar triviale Frage, ob der Protagonist Bombay zu Beginn der Geschichte in Kisten oder Schubläden denkt. Noch einmal erzählte auch Brückner aus seinem eigenen Übersetzeralltag - wie er beispielsweise statt am Anfang immer in der Mitte einer Geschichte mit der Übersetzung beginnt - und betonte auch die Wichtigkeit eines Lektors für die Entstehung einer runden deutschen Version eines Textes.
So war für die abschließende zweisprachige Lesung die ideale Grundlage geschaffen: Nach einer kurzen theoretischen Einführung von Yvonne Kappel trug zunächst Babatunde den Beginn der Kurzgeschichte im englischen Original vor, bevor Theresa Benkert dem Publikum mit der gleichen Passage in der deutschen Übersetzung einen vergleichenden Blick ermöglichte. Anschließend wechselten sich englische und deutsche Textpassagen ab, während Brückners Moderation der Lesung weitere Einblicke in den Kontext der Erzählung und in die nigerianische Literaturlandschaft im Allgemeinen bot. Wie Bombays Erlebnisse – und 13 weitere prämierte Kurzgeschichten – zu Ende gehen, müssen Leser der Anthologie ab Frühling 2017 selbst herausfinden.
Zunächst folgt am 01.12. im großen Vortragsraum der ULB der nächste Workshop mit Gläserner Übersetzung (ab 16.30 Uhr) und zweisprachiger Autorenlesung (ab 18 Uhr) in der Reihe, dann mit der nigerianischen Autorin Chinelo Okparanta und ihrer Kurzgeschichte "America".