Heibert-Vortrag
Öffentlicher Vortrag von Frank Heibert in der Zentralbibliothek
Am 17. Februar stand nicht nur die abendliche Lesung von Tope Folarins Kurzgeschichte Miracle im Fokus – auch die eher berufspraktisch Interessierten konnten am Vormittag einen detaillierten Einblick in das Handwerk des Übersetzens gewinnen. Diesen gab der renommierte Übersetzer, Autor und Literaturwissenschaftler Frank Heibert, der für seine Arbeit bereits mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis und dem Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis ausgezeichnet wurde.
In seinem Vortrag legte Heibert besonderen Fokus auf die Frage, wie Literatur überhaupt funktioniert. Welchen Ton sollte man als Übersetzer anschlagen, welche Wirkungsäquivalenz und welche Werte will man als Übersetzer erhalten?
Anhand mehrerer Textbeispiele machte er dem Publikum deutlich, wie schmal der Grat zwischen dem „richtigen“ und „falschen“ Ton tatsächlich sein kann und wie sehr sich die Wirkung der jeweiligen Passagen letztlich verändert.
Genau aus diesem Grund, so Heibert, sollte jedem Übersetzungsprozess auch immer eine stilistische Interpretation des Ausgangtexts vorausgehen, um die Wirkung diverser Stilmittel herauszuarbeiten – Warum wurden gerade diese bestimmten Mittel vom Autor gewählt? Umso besser könne man diese hinterher in die Praxis umsetzen.
Trotz des literaturwissenschaftlichen Diskurses trat Heibert außerdem vehement für Freiheit im Übersetzertum ein. Denn das „Neuschreiben“ eines Texts in die Zielsprache sei vor allem ein kreativer Prozess. Deshalb sei die Diskussion über „Treue gegen Freiheit“ im Prinzip der falsche Ansatz, da literarische Treue generell nur über Freiheit möglich sei – so dürfe beispielsweise die Syntax des Ausgangstextes nicht einfach stupide übernommen werden.
Das fremdsprachige Sprachgefühl auf Kommando abstellen zu können und sich wieder vollends auf die Feinheiten der deutschen Sprache zu konzentrieren, gehört laut Heibert zu den Kernkompetenzen fähiger Übersetzer. Diese Sprachkompetenz gepaart mit dem von ihm präsentierten Handwerkszeug ebne den Weg für eine potenzielle Laufbahn als Übersetzer.
Für ihn persönlich sei es vor allem die Beschäftigung mit immer neuen Texten – davon wiederum jeder mit seiner eigenen Stimme, Frische und eigenem Potenzial –, die ihn am meisten am Übersetzen reizte. Sein augenzwinkerndes Fazit „Ich kann verschiedene Persönlichkeiten annehmen, ohne schizophren werden zu müssen“ konnten die Anwesenden aus dem Studiengang Literaturübersetzen sicherlich nachvollziehen.