Workshop & Lesung Okwiri Oduor
Workshop und Leusng mit Okwiri Oduor
Das Thema der Übersetzung in allen ihren theoretischen oder praktischen Formen ist für Okwiri Oduor eigentlich kein Neuland: „Sometimes my work involves translations within English, or intertextuality, or when I experience other art forms. When I’m inspired by different art forms, that is also translation.“ In ihre Caine-Prize-prämierten Kurzgeschichte „My Father’s Head“ streut die kenianische Autorin diverse Swahilibegriffe in ihr Englisch ein. Somit spielen sich in der Geschichte schon im klassischen linguistischen Sinn schon Übersetzungsprozesse ab, bevor die Geschichte überhaupt aus ihrer Originalversion übertragen wurde.
Vor dem Workshop und der zweisprachigen Lesung mit den Teilnehmern des Projekts „Über Übersetzen“ hatte Oduor jedoch noch nie direkt mit Übersetzern ihrer Werke zusammengearbeitet. Somit war die Erfahrung nicht nur hilfreich für ihre Übersetzerin Sophia Ring, die im Workshop Gelegenheit bekam, Fragen und Schwierigkeiten im direkten Austausch zu klären. Auch für die Autorin selbst war es eine neue Erfahrung, sich über Übersetzungsprozesse im Allgemeinen wie im speziellen Fall von „My Father’s Head“ auszutauschen. Im Rahmen der Lesung, die dieses Mal in der Bilker Buchhandlung BiBaBuZe stattfand, hörte sie zudem erstmals Auszüge aus der deutschen Version ihrer preisgekrönten Geschichte.
In der Kurzgeschichte erzählt die Protagonistin Simbi davon, wie sie den Tod ihres Vaters verarbeitet. Sie möchte ihn zeichnen und stellt fest, dass sie sich nicht mehr an die Form seines Kopfes erinnert. Daraufhin vertieft sie sich in Erinnerungen an den Verstorbenen, beschwört ihn damit aus Versehen wieder herauf – und wird ihn plötzlich nicht mehr los. Als zentrale Themen der Geschichte spricht die Autorin selbst Einsamkeit, Verlust und Zugehörigkeit an – inspiriert wurde sie dabei von einer persönlichen Begegnung mit somalischen Flüchtlingen in Kenia, die sie als sehr prägend empfunden hat. Es stellten sich die Fragen nach der Bedeutung von Heimat und danach, was nach einem schweren Verlust in Erinnerungen erhalten bleibt.
Dabei ist es Oduor wichtig, nicht auf eine einzige Lesart oder auf definitive literarische Kategorien festgelegt zu werden: „I prefer to let the work teach me about what it it is about, rather than approaching it with expectations and categories in the first place.” So werde ihr Werk gelegentlich dem Magischen Realismus zugeordnet, wozu sie anmerkt: „To me, it’s realism.“ Welche Elemente der Geschichte als realistisch oder fantastisch, welche als alltäglich und welche als höchst ungewöhnlich, welche als positiv und welche als negativ bewertet werden, auch das lässt sich nicht so genau festlegen, wie es dem einzelnen Leser vorkommen mag. So spielt das Thema des Heraufbeschwörens eines Toten, das europäischen Lesern so übernatürlich und außergewöhnlich erscheint, in der kenianischen Alltags- und Erzählkultur eine viel größere Rolle. Dafür gehen Leser hierzulande einfach über das Altenheim hinweg, in dem die Protagonistin arbeitet – was in Oduors Heimatland deutlich mehr Aufsehen erregt, da es dort einem Tabu gleichkommt, sich nicht selbst um die eigenen Eltern zu kümmern, wenn diese älter werden.
Ob die vielen fremden Elemente bei Lesern der Übersetzung, die demnächst als Teil einer deutsch-englischen Anthologie erscheinen wird, einen ganz anderen Eindruck erwecken könnten als bei Lesern des Originals, bereitet der Autorin allerdings keine Sorgen. Sie traut ihren Lesern zu, schwierige Passagen und Fremdwörter für sich zu entschlüsseln. Zudem hat sie an sich selbst den Anspruch, fremdartige Elemente so in ein Gesamtkunstwerk zu verflechten, dass sie dessen Fluss gar nicht mehr stören: „I want every foreign word to also work within the overall piece, to not distract you from the story.“
Das Spiel mit Sprache ist auch für Oduors eigenen Schaffensprozess essentiell. „English is not just one single language, there are many forms of English“, beschreibt sie ihre Ansicht zum Schreiben in Standardsprache, darüber hinaus erklärt sie: „I try not only to work within English but create something new in the language.“ Dafür spielen bei ihr vor allem Swahili-typische Elemente eine entscheidende Rolle, „trying to be faithful to the orality, colours and musicality of the culture.“
Bei allen Ansprüchen, die Oduor als Schriftstellerin an sich selbst stellt (zum Beispiel, jeden Tag mindestens einen Absatz an der aktuellen Geschichte zu schreiben), wendet sie aber auch ein, dass ihr diese Disziplin nicht immer leicht falle: „Sometimes when I write a story, there are days when I can’t bear to read another line from it.“ Auf die Frage, welche Ziele sie sich selbst für die Zukunft gesetzt hat, lächelt sie erst etwas überrumpelt, beginnt dann aber zu planen: „I would like to finish my novel. I would like to write many novels, maybe make a film, and…” Nach den frischen Eindrücken der zweisprachigen Lesung fügt sie scherzhaft hinzu: „I would like to learn German.“
Die nächste Lesung im Rahmen des Projekts der Studiengänge Literaturübersetzen und Comparative Studies findet am 17. Februar ab 18 Uhr in der Zentralbibliothek Düsseldorf statt. Zu Gast ist dann der nigerianisch-amerikanische Autor Tope Folarin mit seiner Kurzgeschichte „Miracle“. Am selben Tag hält am gleichen Ort bereits um 11:15 Uhr der renommierte Übersetzer Frank Heibert einen öffentlichen Vortrag zu Theorie und Praxis des Übersetzens.